Urban Glitch (von lat. urbanus ‚zur Stadt gehörend, städtisch‘, zu urbs ‚Stadt‘ und dem jiddischen gletshn, ‘schlittern oder rutschen’) bezeichnet die physische Manifestation einer Unregelmäßigkeit der Programmierung urbanen Raumes.
Die Definition eines Urban Glitch setzt die Annahme einer bewussten Programmierung eines städtischen Gefüges und seiner räumlichen, ökologischen und sozialen Auswirkungen voraus. Unregelmäßigkeiten in dieser Programmierung, die sich in den Instrumenten der Raumplanung, der Bauordnung sowie als Reaktion auf geschichtliche Ereignisse widerspiegeln, werden in Form von Urban Glitches sichtbar. Urban Glitches verkörpern Prozesse einer Planungskultur, die im Laufe der Zeit an Gültigkeit verloren haben, durch parallele Systeme beeinträchtigt worden sind oder aber einen inhärenten Fehler im Programmcode enthalten, der aufgrund des zufälligen Auftretens unterschiedlicher, nicht vorhergesehener Zustände in Erscheinung tritt.

Diese Website ist Teil eines Semesterprojektes im Studio c/o now der Abteilung Architektur der Kunstuniversität Linz.
Ein Semester lang haben wir – Daniel Schöngruber und Lisa Ackerl – verschiedenste Objekte, Gebäude und Systemabläufe der Stadt Linz erforscht. Dieser Arbeit liegt die Neugierde an menschlicher Perzeption und der daraus folgenden Kommunikation und Informationsübermittlung zugrunde. Bei unserer Recherche begegneten uns Urban Glitches, deren Ursprung die unterschiedlichsten Bereiche von Gesellschaft und Umwelt prägen. Durch Vertiefung in Gebiete wie Wahrnehmungstheorie, Gesellschaftstheorie, Stadtgeschichte, Städtebau und Softwareentwicklungsprozesse, haben wir den Versuch gestartet das immaterielle, nicht physisch greifbare Phänomen des Glitches anhand von Beispielen und Analogien zu verdinglichen und in Objekten der gebauten Umgebung von Linz zu verorten.
Denkt man die Materialisierung des Glitches angelehnt an Prozesse der Softwareentwicklung weiter, ergeben sich neue Möglichkeiten zur architektonischen und systemischen Betrachtung. Der Vorgang eröffnet ein Gedankenfeld, in dem wir beschreiben, wie verschiedene Tools wie Flowcharts, Errormeldungen und Softwareaktualisierungen oder -verbesserungen auf die entdeckten Urban Glitches angewendet werden können. Die Betrachtungsweise lädt dazu ein, historische Bauten, Relikte aus vergangenen Tagen, geplante Bauvorhaben, Technologien zur Energiegewinnung und verschiedenste städtebauliche Entwicklungen, aber auch menschliche Verhaltensweisen und den daraus entstehenden Einfluss auf unsere gebaute Umgebung zu hinterfragen. Die entstehenden Schnittpunkte mit technischen Disziplinen sind dabei nicht als Entsprechungen, sondern als Analogien zu verstehen. Diese Überschneidungen ermöglichen eine systemische und vereinfachte Betrachtung komplexer Prozesse, ohne auf Non-Linearität, Kritik und Humor verzichten zu müssen.

Wir hoffen, durch unser Projekt euer Interesse an städtebaulichen Phänomenen zu wecken und würden uns freuen, wenn auch ihr spannende Urban Glitches in eurer Umgebung entdeckt.

Lisa Ackerl & Daniel Schöngruber (Studierende)
Andrijana Ivanda & Tobias Hönig (Professur)
Studio c/o now | die Architektur
Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz
Wintersemester 2021
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